MZ-Artikel 06.10.2001

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Steht zur Disposition: Die alte Nordschule als Domizil von Musikschule und Jugendzentrum.
 
Landesschule: Es sind noch viele Fragen zu klären

Bereitschaft der Landeskirche zur Überlassung des leerstehenden Gebäudes zu günstigen Konditionen eröffnet für die Stadt neue Nutzungsmöglichkeiten

Von Horst vom Hofe

MEINERZHAGEN · "Jetzt müssen gründliche Erhebungen vorgenommen und vor allem auch die finanziellen Auswirkungen im Detail ermittelt werden". So äußerte sich Bürgermeister Erhard Pierlings gegenüber der MZ über das Projekt "Neue Nutzung der ehemaligen Landesschule". Eine wichtige Frage soll schon Mitte des Monats im Rahmen eines Gesprächstermins bei der Bezirksregierung in Arnsberg abgeklärt werden. Dann will man über finanzielle Fördermöglichkeiten sprechen.

Intensiv wurde seit der Schließung des Internatsgymnasiums in kirchlicher Trägerschaft über eine Verwertung der stadtbildprägenden Immobilie nachgedacht. "Wir haben viele Kontakte geknüpft, zahlreiche Gespräche bis hinauf auf höchster Ebene geführt, sogar mit dem Ministerpräsidenten Wolfgang Clement", berichtet der Bürgermeister. Doch es gestaltete sich äußerst schwierig, für das rund 100 000 Quadratmeter große Grundstück mit den verzweigten Schulgebäuden einschließlich Internatstrakt und Sporteinrichtungen ein sinnvolles und vor allem finanzierbares Konzept zu finden.

Umzug des Gymnasiums scheiterte an den Kosten

Als die Evangelische Landeskirche 1994 den Internatsbetrieb einstellte, gab es bereits einmal einen Ansatzpunkt: Angedacht war, dass am Standort der Landesschule das Evangelische Gymnasium neu untergebracht werden sollte. Die Kirche bot der Stadt dessen Gebäude "Auf dem Bamberg" an. Hier hätte dann die Hauptschule einziehen können. Das frei werdende Schulgebäude an der Genkeler Straße wäre zur Grundschule umfunktioniert worden. Auf diese Weise hätte man sich den Neubau der Kohlbergschule ersparen können. Diese Lösung scheiterte aber an den Kosten. Um das Gymnasium "Auf der Freiheit" etablieren zu können, wären nach damaligen Berechnungen über 50 Millionen Mark für notwendige Erweiterungen und Umbauten erforderlich geworden. Die Stadt sollte nach Vorstellungen der Landeskirche für das Gymnasium rund 30 Millionen Mark zahlen.

Bis zum Schuljahr 1996/97 wurde die ehemalige Landesschule noch für Unterrichtszwecke des Gymnasium genutzt, wo bis zu dem dann realisierten Erweiterungsbau am Bamberg akuter Raumbedarf bestand. Danach gingen endgültig die Lichter aus. Bemühungen der Landeskirche, für ihre Immobilie einen Käufer zu finden, schlugen fehl. Das nun "tote Kapital" wurde für die Kirche wegen der weiterhin aufzubringen erheblichen Instandhaltungskosten zunehmend zur Belastung.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine neue Konstellation. Obwohl Bürgermeister Pierlings zum gegenwärtigen Stand keine konkreten Angaben über einen möglichen Kaufpreis machen möchte, verdichtet sich, dass die Kirche alles tun will, um aus ihrer finanziellen Verantwortung für die Immobilie herauszukommen. Die Rede ist von einer "Überlassung" an die Stadt zu Bedingungen, die deutlich günstiger als noch vor Jahren sein dürften.

Mittlerweile sind die Gespräche in ein konkretes Stadium getreten. "Beide Verhandlungspartner sind interessiert daran, für die ehemalige Landesschule eine neue Nutzung zu finden, die den Erhalt der stadtbildprägenden Gebäude von Schulpforta sichert", so Pierlings.

Inzwischen sind die Ratsfraktionen über den Stand der Vorplanungen informiert. Die Verwaltung wurde auf der Grundlage eines neuen interessanten Nutzungskonzeptes mit der Erarbeitung konkreter Planungen einschließlich der Kostenermittlung beauftragt.

Danach soll die Sonderschule für Lernbehinderte von der Wahr in das Landesschul-Gebäude umziehen, würde hier "optimale Voraussetzungen vorfinden", so Pierlings. Die Stadt könnte dann die unter Raumnot leidende Grundschule "Auf der Wahr" neu in der frei werdenden Sonderschule unterbringen. Für die Erweiterung der Grundschule waren in der städtischen Finanzplanung bereits Investitionsmittel von 1,8 Millionen Mark vorgesehen. Desweiteren soll in der ehemaligen Landesschule ein Förderzentrum für junge Menschen mit Ausbildungsdefiziten eingerichtet werden.

Weil mit diesen beiden angedachten Nutzungen allein aber die vorhandenen Kapazitäten nur teilweise ausgeschöpft würden, gibt es weitergehende Überlegungen. "Wir prüfen, ob hier auch Musikschule und Jugendzentrum untergebracht werden können. Für beide städtischen Einrichtungen würde es nach unserer Einschätzung ebenfalls günstige Rahmenbedingungen geben", so Pierlings. Er räumt allerdings ein, dass im Fall des Jugendzentrums die dann vom Stadtzentrum entferntere Lage ein gewisses Problem darstellen könnte. Er verweist aber auch darauf, dass durch die Entstehung neuer Wohngebiet im Norden der Stadt durchaus ein neue Situation entstehe und man von einer "Randlage" schon jetzt nicht mehr sprechen könne.

Die auch aus Sicht des Bürgermeisters entscheidende Frage wird die der kostenmäßigen Auswirkung für die Stadt sein. Einerseits würden für die Umnutzung der Landesschul-Gebäude erhebliche Kosten entstehen. Andererseits aber könnte durch Umnutzung der frei werdenden Gebäude der Grundschule Auf der Wahr und der ehemaligen Nordschule eine Refinanzierung erfolgen. Für beide Objekte könnte zum Beispiel eine Nutzung für Wohnzwecke in Frage kommen.

Stadt erhofft sich finanzielle Hilfe auch vom Land

Die Stadt verspricht sich auch eine finanzielle Förderung durch das Land, verweist darauf, dass es hier um die Lösung eines auch aus landesplanerischer Sicht bedeutsamen strukturellen Problems gehe. Viele Fragen sind noch zu klären, ehe der Rat und seine Ausschüsse konkrete Beschlüsse fassen können. Dabei drängt die Zeit, denn die Kirche möchte sich verständlicherweise so schnell wie möglich aus ihrer finanziellen Verpflichtung für die Landesschule entbunden sehen. "Wir werden zügig, aber auch sehr sorgfältig alles abarbeiten und eine Beratungsvorlage erarbeiten, kündigt Pierlings an. Er geht aber nach realistischer Einschätzung davon aus, dass dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird und die Angelegenheit frühestens im Laufe des kommenden Jahres entscheidungsreif sein dürfte.



KOMMENTAR

Es muss sich rechnen...

Von Horst vom Hofe
 

Lädt die Stadt Meinerzhagen sich mit dem möglichen Erwerb der ehemaligen Landesschule einen gewaltigen Brocken auf, an dem sie sich angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen womöglich verheben könnte? Schon einmal bot sich die Gelegenheit zum Kauf: 1994, als im Zuge der Wiedergewinnung der Deutschen Einheit die Tradition des Internatsgymnasiums Schulpforta am alten Standort in Sachsen neu auflebte, in Meinerzhagen dafür die Lichter in der einstigen Eliteschule ausgingen. Damals hätte die Stadt nach den Vorstellungen der Landeskirche stolze 30 Millionen Mark als Kaufpreis hinblättern sollen. Da war der notwendige Neubau einer Grundschule deutlich günstiger.

Inzwischen hat die Landeskirche erkennen müssen, dass sich die angestrebte Verwertung der Immobilie mehr als schwierig gestaltet. Sie bot das Objekt sozusagen wie "Sauer Bier" auf dem freien Markt an, hat einen Käufer aber nicht finden können. Derweil summieren sich die notwendigen Aufwendungen für die Substanzerhaltung des seit 1997 ungenutzten Schulgebäudes mit seiner spezifischen Nutzungsprägung als ehemaliges Internat. Angesichts auch bei der Landeskirche immer knapper werdender Finanzressourcen ist die Landesschule zum "finanziellen Klotz am Bein" geworden. Ein Dilemma! Zumal auch ein denkbarer Abbruch erhebliche Kosten in vermutlich Milionenhöhe erfordern würde.

Da verwundert es nicht, dass die Verantwortlichen in Bielefeld mittlerweile offenbar deutlich konzessionsbereiter geworden sind. Für beide Seiten, Kirche und Stadt, stellt sich ebenso eine Herausforderung wie eine neue Chance. Eine in vielen Gesprächen ausgelotete mögliche Lösung dürfte vermutlich nicht mehr an der Frage des Kaufpreises scheitern. Obwohl sich die Beteiligten darüber zurzeit öffentlich noch ausschweigen, dürfte allenfalls ein "symbolischer Preis" in Rede stehen. Jetzt gilt es, die Rechnung konkret aufzumachen und sorgsam Plus und Minus auszuloten. Die Stadt hat in Sachen Schulraumversorgung in den letzten Jahren mit enormen finanziellen Anstrengungen und auch mit namhafter Unterstützung des Landes ihre Hausarbeiten weitgehend erledigt. Es steht allein noch die Behebung der Raumnot der Grundschule Auf der Wahr auf der Tagesordnung. Was jetzt konkret angedacht ist, sorgt in diesem Punkt für eine wirksame Lösung, eröffnet aber zudem weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei greifen mehrere Dinge ineinander und werden nur im Gesamtpaket realisierbar sein. Wenn die Stadt die Landesschule übernimmt, dafür im Gegenzug zwei bisherige Schulgebäude aufgibt (Grundschule Auf der Wahr und ehemalige Nordschule), könnte sich das trotz der damit verbundenen Investitionen unter dem Strich durchaus lohnen, nicht zuletzt mit Blick auf Folgekosten für die Unterhaltung.

Der Rat der Stadt steht vor einer angesichts der allgemein angespannten Finanzlage durchaus schwierigen Entscheidung. Doch es zeichnet sich ab, dass am Ende eine ebenso tragbare wie auch aus städtebaulicher Sicht vernünftige Lösung stehen könnte. Der drohende Abriss der das Stadtbild prägenden Landesschule kann verhindert werden, für die Bereiche Schule, Kultur und Jugendförderung im Gegenzug sogar für eine Bereicherung gesorgt werden. Es muss sich nur rechnen!

Und das ist zu allererst die Frage, die neben vielen anderen jetzt möglichst zügig zu klären ist.


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