MZ-Artikel 31.12.2003

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Das Neubaugebiet Vorderhagen-West wurde als letztes erschlossen. Zukünftig soll "Werlsiepen" folgen, der Rat hat den Aufstellungsbeschluss bereits gefasst.
 
"Für die Zukunft bleiben Fragezeichen"

Interview zum Jahreswechsel mit Bürgermeister Erhard Pierlings: Ausgeglichener Haushaltsplanentwurf nur durch Aufzehrung aller bisherigen Rücklagen möglich. BM schätzt seine persönlichen Aussichten als gut ein. Baubeginn der Südumgehung im zweiten Halbjahr

MEINERZHAGEN · Zum Jahreswechsel führte MZ-Lokalchef Horst vom Hofe folgendes Interview mit dem Meinerzhagener Bürgermeister Erhard Pierlings:

Die finanzielle Situation der Stadt Meinerzhagen hat sich unter dem Eindruck weiter sinkender Einnahmen und Zuweisungen nochmals verschlechtert. Welche Auswirkungen und Konsequenzen sehen Sie für 2004 und die weitere Zukunft auf die Stadt zukommen?

Bürgermeister Erhard Pierlings: Es wird eng. Wir haben am 15. Dezember dieses Jahres den Entwurf des Haushalts für das Jahr 2004 eingebracht. Dieser Entwurf konnte noch einmal ausgeglichen dargestellt werden, wenn auch unter völliger Aufzehrung unserer bisherigen Rücklagen. Für 2004 bedeutet das die Beibehaltung der konsequenten, allerdings im Hinblick auf unsere städtischen Angebote für die Bürgerschaft auch noch vertretbaren Sparpolitik. Für die Zukunft bleiben Fragezeichen. Hier müssen wir auf die "große" Politik setzen und hoffen, dass die mühsamen Anstrengungen zur notwendigen Verbesserung der auch für uns maßgeblichen Rahmenbedingungen Erfolge zeigen.

Das Thema Gewerbesteueranhebung steht erneut auf der Tagesordnung. Rechnen Sie diesmal mit einer Mehrheit für diesen Verwaltungsvorschlag?

Pierlings: Ja. Die Mehrheit dafür war ja schon im vergangenen Jahr greifbar nahe, letztlich aber nicht zustande gekommen, weil vielleicht doch etwas überzogene Hoffnungen gehegt worden waren, durch eine positivere Entwicklung der übrigen kommunalen Finanzen und durch noch konsequenteres Sparen an einer solchen Erhöhung vorbeizukommen. Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, und die Einsichten in die Notwendigkeit, auch dieses kommunale Steuer anzuheben, scheinen sich zu verfestigen.

Der eingesetzten Sparkommission ist nicht der "große Wurf" gelungen. Gleichwohl gibt es weiteren Sparzwang. Freiwillige Ausgaben werden wohl weiter gekürzt werden müssen. Ein Beispiel dafür war jüngst die Streichung der Übernahme von Schulbuskosten für Kinder aus Wiebelsaat. Wird es möglicherweise in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Musikschule, zu Einschnitten bzw. zusätzlichen Belastungen für Eltern kommen?

Pierlings: Ein "großer Wurf" war auch nicht zu erwarten. Dafür hatten und haben Rat und Verwaltung der Stadt auch in den zurückliegenden Jahren erfolgreiche Konsolidierungsanstrengungen unternommen. Die jetzt erörterten, zugegebenerweise marginalen weiteren Kürzungen treffen allerdings nicht nur Familien mit Kindern, sondern genauso Alters- und Ehejubilare und schließlich auch die Fraktionen und deren Mitglieder im Rat unserer Stadt. Weitere Belastungen kann ich in der Tat nicht ausschließen, ich möchte sie aber mit allen Anstrengungen vermieden sehen. Der soeben erwähnte Entwurf des Haushalts für das Jahr 2004 sieht solche weiteren Einschränkungen nicht vor, auch nicht bei der Musikschule.

Das Land ändert voraussichtlich seine Förderrichtlinien für Sportstätten-Projekte. Betroffen davon auch zwei Maßnahmen in Meinerzhagen, für die man sich projektbezogene Zuweisungen erhoffte: Das Freibad in Meinerzhagen und den Sportplatz in Hunswinkel. Wird man die Finanzierung dennoch sicherstellen können?

Pierlings: Das muss sich zeigen. Nach dem jetzigen Informationsstand werden die pauschalen Sportfördermittel mit etwa 2,50 Euro/Einwohner so gering ausfallen, dass anders als früher große Projekte damit nicht geschultert werden können. Generell sind Pauschalierungen auch aus kommunaler Sicht begrüßenswerter als langwierige, verwaltungsaufwändige und komplizierte Einzelförderungen. Natürlich wäre es besser, wenn das Land höhere Pauschalbeträge gewähren würde oder könnte. Im Hinblick auf die Finanzlage der Länder ist dies vielleicht ein frommer Wunsch. Dennoch müssen insbesondere Kommunen des ländlichen Raums hier "am Ball" bleiben, weil auch sie Sportstätten bauen und unterhalten müssen, allerdings wegen der geringeren Einwohnerzahlen mit solchen Pauschalierungen nicht zurecht kommen können. Meines Erachtens müssten hier auskömmliche Mindestpauschalierungen oder aber flächenbezogene Maßstäbe Berücksichtigung finden.

Konkret haben wir die vorgesehenen Investitionen für das Freibad Meinerzhagen aus der Planung für 2004 herausnehmen und in die Finanzplanung für 2005 einstellen müssen, obwohl hier schon weitreichende Vorarbeiten geleistet waren. Zum Sportplatz in Hunswinkel müssen Verein und Stadt gemeinsam daran arbeiten, die ausfallenden Landesmittel zu kompensieren und in Rede stehende Aufwendungen für eine bessere Ausstattung des Platzes in einer auch zeitlich abzustimmenden verlässlichen Finanzierungsplanung darzustellen.

Der neue Ehrenbürger Otto Rudolf Fuchs hat eine mit 1 Millionen Euro ausgestattete Stiftung ins Leben gerufen. Wie geht es mit dieser Stiftung voran?

Pierlings: Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts unserer Stadt an Herrn Otto Rudolf Fuchs und die Gründung der seinen Namen tragenden Stiftung waren im zu Ende gehenden Jahr die herausragenden Ereignisse in unserer Stadt. Sie haben in Meinerzhagen und landesweit über die Medien die ihnen zukommende erfreulich positive Resonanz gefunden. Zwischenzeitlich haben sich Vorstand und Kuratorium konstituiert und noch in diesem Dezember die Voraussetzungen geschaffen, dass die Erträge der Stiftung dem von Herrn Otto Rudolf Fuchs in der Tradition seiner Familie formulierten Stiftungszweck zufließen können. Dies geschieht in erfreulich guter Zusammenarbeit zwischen den Organen der Stiftung und der Stadt.

Der Rathaus-Erweiterungsbau geht seiner Vollendung entgegen. Wann wird mit der Fertigstellung zu rechnen sein und wie wird sich dann mit dem geplanten neuen Bürgerbüro der Service der Verwaltung verändern?

Pierlings: Genaugenommen geht es ja um zwei Baumaßnahmen, um den Neubau und um den Umbau des ehemaligen Postamtes. Auch wenn sich der Umbau erwartungsgemäß schwieriger gestaltete, rechnen wir mit der Fertigstellung beider Maßnahmen im Februar des kommenden Jahres. Dann muss ein- und umgezogen werden. Der Umzug bringt die dringend notwendigen Verbesserungen für den Service der Stadtverwaltung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden den Bürgerinnen und Bürgern zukünftig im neuen Bürgerbüro für alle Dienstleistungen zur Verfügung stehen, die dort ohne umfangreichere Aktenbearbeitung abgewickelt werden können. Damit wird das Bürgerbüro zukünftig unser zentrales Dienstleistungsangebot. Lediglich die aufwendigeren Angelegenheiten, etwa das Beantragen von Sozialhilfe oder Fragen des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts, werden wie bisher in den Fachdienststellen abgewickelt. Auch dafür werden durch den Umzug wesentlich bessere Voraussetzungen geschaffen, vor allem beim Sozialamt.

Das Einwohnermeldeamt verlässt endlich seine bisherigen Kellerräume und geht komplett ins Bürgerbüro. Das Standesamt übernimmt die Räumlichkeiten im bisherigen Sitzungsbereich des bislang als Haus I bezeichneten Gebäudes und kann dort in größeren, ansprechenderen Räumlichkeiten ein wesentlich verbessertes Ambiente für Eheschließungen bieten.

Ich selbst freue mich darüber, dass das neue Bürgerbüro komplett behindertengerecht ausgestattet ist - bis hin zur Toilette. Gerade diese Dinge haben bei uns ja doch im Argen gelegen.

Kommen wir zu weiteren konkreten Projekten. Zunächst möchten wir nach dem Stand in Sachen Nutzung der ehemaligen Landesschule fragen. Hier gibt es einen engen Zusammenhang mit den Raumnöten, mit denen die Grundschule "Auf der Wahr akut zu kämpfen hat. Wie ist der Stand der Dinge?

Pierlings: Wir hatten gehofft, bis zum Ende dieses Jahres endgültig Klarheit zu haben. Das ist nicht ganz gelungen. Noch in den letzten Tagen vor Weihnachten und "zwischen den Jahren" laufen hier die letzten, wichtigen Abstimmungen mit den Ressorts der Landes- und Bezirksregierung und mit weiteren Institutionen. Hier möchte ich nichts vorwegnehmen. Allerdings ist uns klar, dass die Schule "Auf der Wahr" nicht länger warten kann. Deshalb sind vorsorglich die erforderlichen Maßnahmen für diese Grundschule im kommenden Jahr eingeplant.

Die Realisierung der Süd-Umgehung scheint nun immer näher zu rücken. Wann geht es konkret los und in welchem Zeitraum rechnen Sie mit deren kompletter Fertigstellung?

Pierlings: Dank des guten Verhältnisses zwischen Düsseldorf und Meinerzhagen stehen wir im intensiven Informations- und Planungsaustausch mit den für die Südumgehung verantwortlichen Stellen, auch mit dem Landesbetrieb Straßen NRW. Wir rechnen damit, dass die Mittel für den Baubeginn in 2004 bereitgestellt sind und dass wir konkret in der zweiten Jahreshälfte des kommenden Jahres mit der Südumgehung beginnen können. Geplant hierfür ist zunächst der westliche Teil der Südumgehung, also der Bereich Handweiser/Trotzenburg/Schützenplatz. Nach allen Erfahrungen dürfen wir davon ausgehen, dass einmal begonnene Maßnahmen auch in den Folgejahren zügig abgewickelt werden. Die Südumgehung zählt dann mit etwa 20 Millionen Euro zu den großen Straßenbaumaßnahmen in Nordrhein-Westfalen. Bei dieser Größenordnung muss ich um Nachsicht bitten, wenn ich einen Fertigstellungstermin heute nicht nennen möchte.

Das interkommunale Gewerbegebiet Grünewald beschäftigte in diesem Jahr wiederholt die Gremien der Stadt. Unter anderem wurde die Erschließungsgesellschaft Grünewald gegründet. Welche weiteren Schritte stehen jetzt an?

Pierlings: Die Gesellschaft arbeitet in mehreren Aufgabenbereichen. Vorrangig geht es zunächst um die Vermessung des Plangebiets durch ein Fachbüro, das die Grundlagen für die Bebauungsplanung erstellt. Parallel dazu geht es um die Bauleitplanung selbst, also um die Änderung des Flächennutzungsplans, um den Bebauungsplan mit einem landschaftspflegerischen Fachbeitrag, die ingenieurtechnische Erschließungsplanung und die Anpassung der gesamten Planung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung. All dies wird durch beauftragte Fachbüros zu erledigen sein.

Neben diesen planungstechnischen Aufgaben stehen Verhandlungen mit den Eigentümern und Nutzern der im Plangebiet gelegenen Flächen an. Dabei geht es um die behutsame Abwägung der gegenseitigen Interessen und darum, diese Verhandlungen einvernehmlichen Ergebnissen zuzuführen.

In Valbert wurde das Baugebiet Vorderhagen erschlossen. Ansonsten aber herrscht offenbar eher Stillstand in punkto Wohnbautätigkeit im Stadtgebiet. Gibt es dennoch Zukunftsplanungen für weitere Baugebiete?

Pierlings: Möglicherweise ist schon Bekanntes hier etwas in den Hintergrund getreten. Tatsächlich entwickelt sich Meinerzhagen kontinuierlich im Rahmen der durch den Rat getragenen Stadtentwicklungsplanung fort. Das nächste dabei bereits festgelegte Wohnbaugebiet ist der Bereich "Werlsiepen". Hierfür hat der Rat bereits einen Aufstellungsbeschluss gefasst. Inzwischen sind die Planungen für Städtebau und Erschließung vergeben. Das kommende Jahr soll dazu genutzt werden, diese Planungen zwischen Stadt und Meinerzhagener Baugesellschaft abzustimmen. Danach wird es dann schon um die Erschließung gehen können.

Trotz der knappen Finanzmittel auf den Weg gebracht werden konnte der Ausbau der Ihnestraße und des Potsdamer Platzes in Valbert. In welchem Zeitraum kann diese Dorfverschönerungsmaßnahme realisiert werden?

Im kommenden Jahr wird der obere Teil der Ihnestraße bis zum Potsdamer Platz hin ausgebaut. Der Auftrag hierfür ist bereits vergeben. Die Ausführungszeit dafür hat mit dem 15. Dezember dieses Jahres bereits begonnen und ist bis zum 31. August des kommenden Jahres vorgegeben. In 2005 steht dann der untere Teil vom Potsdamer Platz bis zur Haaner Straße zum Ausbau an. Der Potsdamer Platz selbst soll dann im Jahr 2006 folgen. Möglicherweise können diese Zeitabschnitte aber noch abgekürzt werden, was dann umso erfreulicher wäre. Erfreulich ist aber allemal, dass diese umfassenden Arbeiten - sicherlich wesentlich mehr als lediglich eine Dorfverschönerung - jetzt auch tatsächlich abgewickelt werden.

Bis Marienheide rollen wieder Personenzüge. Glauben Sie daran, dass in absehbarer Zeit auch Meinerzhagen wieder an den Schienenverkehr angeschlossen sein wird?

Pierlings: Das liegt nun einmal nur zum geringen Teil bei uns und unseren Gestaltungsmöglichkeiten. Vielleicht sind angesichts der dazu hier und da zu lesenden gegenteiligen Auffassungen manche Zweifel gegeben. Ich jedenfalls hoffe aber, dass unser Landtagsabgeordneter hier gut vorankommt. Wir sind gut beraten, unsere gesamte Verkehrsinfrastruktur fortzuentwickeln. Ihr kam und kommt als Standortfaktor sowohl für unsere Wirtschaft wie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine herausragende Bedeutung zu.

Am 26. September 2004 ist Wahltag. Sie werden sich wieder um das Bürgermeisteramt bewerben, dürften sich diesmal aber voraussichtlich mit mehr als einem Gegenkandidaten dem Wählervotum stellen müssen. Wie schätzen Sie Ihre persönlichen Aussichten ein und was erwarten Sie generell von der Kommunalwahl 2004?

Pierlings: Ich hoffe, dass sich die weithin beklagte Politikverdrossenheit legt und sich das politische Klima aufgeschlossener und verlässlicher entwickelt. Dies einmal unterstellt, wäre der Blick frei auf eine objektive Bewertung dessen, was vor Ort, was kommunal geleistet werden konnte und geleistet worden ist. So betrachtet wird es Sie nicht wundern, dass ich meine persönlichen Aussichten recht gut einschätze.


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