MZ-Artikel 10.07.2004

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Landesschule "denkmalwürdig"

Ehemaliger Schüler des Meinerzhagener Internatsgymnasiums setzt sich mit seinem Gesuch auf Unterschutzstellung bei den Fachleuten des Amtes für Denkmalpflege in Münster durch

MEINERZHAGEN · Alle intensiven Bemühungen von Stadt und Evangelischer Landeskirche, eine neue Nutzung zu finden und damit den Erhalt der Gebäude des ehemaligen Internatsgymnasiums "Evangelische Landesschule Zur Pforte" in Meinerzhagen zu sichern, sind gescheitert (wir berichteten). Die seit Jahren ungenutzte Immobilie auf dem Kopf der Birkeshöh wird nun wohl abgerissen werden. Der Evangelischen Landeskirche als einstiger Trägerin der Schule und Eigentümerin des Areals ist ein weiterer kostenaufwändiger Erhalt nicht zuzumuten. Das hat mittlerweile auch das Westfälische Amt für Denkmalpflege in Münster anerkannt. Gleichwohl wird die ehemalige Landesschule jetzt kurz vor ihrem unwiderruflichen Verschwinden von der Bildfläche noch auf die Denkmalliste gesetzt. Was wie ein Widerspruch aussieht, dokumentiert gleichwohl die herausragende, auch überörtliche Bedeutung dieser einstmals stolzen Einrichtung. Dass nun auch ihre Denkmalwürdigkeit anerkannt wird, geht übrigens zurück auf die Initiative eines ehemaligen Landesschülers: Hardy Happle, der mittlerweile als Architekt und Assistent mit Lehrauftrag am Lehrstuhl für Kunst- und Architekturgeschichte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich arbeitet, hatte mit seinem im Juli 2001 an das Westfälische Amt für Denkmalpflege gerichteten Gesuch "um Prüfung der Dekmalwürdigkeit der ehemaligen Landesschule zur Pforte in Meinerzhagen" letztlich Erfolg.

Der Rat der Stadt Meinerzhagen hat in seiner Sitzung am kommenden Montag keine andere Wahl, als der Anordnung der übergeordneten Behörde beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu folgen und die Landesschule offiziell in die städtische Denkmalliste aufnehmen müssen.

Weil es aber an der finanziellen Grundlage für den Erhalt des "Denkmals Landesschule" fehlt (es könnten allenfalls öffentliche Zuschüsse in der nur geringen Höhe von 7000 Euro in Anspruch genommen werden!), dürfte der von der Evangelischen Landeskirche angekündigte Antrag zum Abbruch schon bald genehmigt werden. Das jedenfalls wurde in den intensiven Verhandlungen mit dem Amt für Denkmalpflege als Konsens erreicht.

Was mit dem Abbruch dann endgültig verloren geht, bleibt von Bedeutung auch für die Nachwelt und ist in der ausführlichen Begründung für die Einstufung als "Denkmalobjekt" von den Experten der Behörde ebenso ausführlich wie anschaulich dargestellt.

Wir zitieren nachstehend auszugsweise aus der aus der umfangreichen Expertise des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege:

Geschichte: Die Evangelische Landesschule zur Pforte in Meinerzhagen wurde 1968 als Nachfolgerin der ehemaligen, sämtlich in Mitteldeutschland angesiedelten Fürsten- und Landesschulen Pforta in Schulpforte bei Naumburg, St. Afra in Meißen und St. Augustin in Grimma sowie des Joachimsthal'schen Gymnasiums in Templin als altsprachliche Internatsschule eröffnet. In der Tradition dieser Schulen, die zunächst durch die Nationalsozialisten ihre pädagogische Unabhängigkeit verloren und diese nach Kriegsende in der Ostzone, später auch DDR nicht wiedergewinnen konnten, sollte in der Bundesrepublik Deutschland eine Nachfolgeinstitution geschaffen werden, die die Tradition, die pädagogischen Ziele und das Erziehungsideal fortführen würde.

Der Grundgedanke dabei war, den Jungen (später auch Mädchen) eine umfassende Ausbildung anzubieten, deren Wesen in der Einheit von Erziehung (Internat) und Unterricht bestand. Während der Unterricht bis auf die Tatsache, dass es ein altsprachliches Gymnasium werden sollte, eher konventionell vonstatten gehen sollte, sollte sich der wesentliche Unterschied zu anderen Schulen im Internatsbereich ergeben. Man wollte Schüler ab der Quarta (7. Klasse) aufnehmen. Diese würden im ersten Jahr (Noviziat) von Erziehern betreut und langsam mit dem eigentlichen Internatsbetrieb vertraut gemacht.

Der Gründung gingen umfangreiche Vorbereitungen voraus. Zunächst setzten sich die "Altschüler", die sich im Pförtner-Bund zusammengeschlossen hatten, mit der Möglichkeit einer Schulneugründung auseinander. Schließlich wurde 1958 in Detmold eine Stiftergemeinschaft ins Leben gerufen, die sodann an die Öffentlichkeit trat. In der Folge wurde die Evangelische Landeskirche Westfalens als künftiger Schulträger gewonnen. Das Land Nordrhein-Westfalen fand sich bereit, 10 Millionen DM für den Schulneubau bereitzustellen.

Obwohl die alten Fürsten- und Landesschulen nicht imitiert werden sollten, ist es sicherlich nicht zufällig, dass man den abgeschiedenen Bauplatz im sauerländischen Meinerzhagen für geeignet hielt, erinnert er doch in seiner Topographie und in seiner Lage zur Stadt Meinerzhagen an die Situation von Schulpforta in Schulpforte. Hier glaubte man, einen Schulbetrieb in nahezu klösterlicher Abgeschiedenheit aufnehmen zu können.

Andererseits war es, wie eine private Initiative wie der Pförtner-Bund nahelegt, persönlichen Verbindungen einiger "Altschüler" geschuldet, dass die Schule nach NRW und konkret nach Meinerzhagen kam.

Die Wahl der Architekten Sauerzapf und Nathow aus Solingen ergab sich aufgrund eines von der Kirchenleitung ausgelobten Architekturwettbewerbes. Zudem hatten sie schon früher mit der Landeskirche bzw. der Stadt Meinerzhagen zusammengearbeitet, denn sie hatten kurz zuvor das dortige Gymnasium auf dem Bamberg bzw. die Jugendherberge gebaut.

Begründung für die Unterschutzstellung als Denkmal:

Die Schul- und Internatsgebäude der Evangelischen Landesschule zur Pforte in Meinerzhagen sind im Sinne des Denkmalschutzgesetzes von NRW bedeutend für die Geschichte der Menschen, da sie die Lebensweise sowie die kulturellen und sozialen Verhältnisse dort dokumentiert.

Im Kern geht das Schulsystem auf die von Kurfürst Moritz von Sachsen 1543 gegründeten Fürstenschulen in Mitteldeutschland zurück. Um die Tradition dieser Schulen fortzusetzen, was an den ursprünglichen Orten nicht mehr möglich war, wurde die Landesschule zur Pforte ins Leben gerufen.

Mit Architekturzitaten wie "Kreuzgang" bezieht sie sich eindeutig auf das ehemalige Zisterzienserkloster in Schulpforte. Auch die Gruppierungen von Gebäuden um Höfe, die Errichtung einer Wandelhalle "Agora", die verhältnismäßig einfachen Zimmereinrichtungen und die Kapelle verweisen auf das klösterliche Konzept, das dem Leben in der Landesschule zugrundelag. Auch wenn dieses Schulsystem nur etwa zwanzig Jahre in Meinerzhagen funktionierte, so ist es doch ein wesentliches Element deutscher Geschichte, da es nach der Teilung Deutschlands die oben beschriebene Tradition in neuen Räumlichkeiten weiterführte.

Die mit großem privatem und öffentlichem Aufwand errichtete Internatsschule war einer der ganz wenigen neuen Internatsbauten in der Bundesrepublik und das, obwohl der Schulbau das herausragende öffentliche Bauthema der 1960er Jahre war. Und gerade im Internatsbereich findet sich in "Stein manifestiert" die Struktur der Landesschule wieder.

Die zu Beginn erwähnte Diskussion zwischen den Beteiligten ist augenscheinlich umgesetzt worden. Beispielsweise die Rundnischen in den Fluren des Klassentraktes sind in der ursprünglichen Planung nicht zu finden. Diese können ebenfalls als Erinnerung an die klösterliche Atmosphäre von Schulpforta verstanden werden. Die hellen Klassenräume konstrastierte man mit dunklen Fluren, in denen Nischen die Schüler zum Verweilen aufforderten und ihnen die Möglichkeit gaben, sich im Schutz der Mauern zum Gespräch zurückzuziehen. Diese in Architektur umgesetzten Ideen der "Altschüler" und auch manch pädagogisches Ziel der Landesschule entsprach sicherlich nicht dem "Zeitgeist". Und so ist es nicht verwunderlich, dass das damals größte Schulprojekt nicht in den einschlägigen Bauzeitschriften diskutiert wurde. Für die Erhaltung und Nutzung der Gebäude liegen wissenschaftliche, hier architekturhistorische Gründe vor. Aufgrund ihres nahezu unveränderten Zustandes sind die Gebäude ein wichtiges Zeugnis der Architektur der 1960er Jahre. Die Verwendung von unterschiedlichen Materialien wie Beton, Backstein, Glas und Holz wird hier in vorzüglicher Weise vorgeführt. Einflüsse der Protagonisten der Moderne wie Le Corbusier werden sehr individuell umgesetzt. Das Thema Schulbau, das, wie schon erwähnt, eine der wichtigsten Architekturaufgaben war, hat hier eine besondere Lösung erhalten, die der zukünftigen Forschung erhalten bleiben muss. Weiterhin liegen für die Erhaltung und Nutzung historische Gründe vor, da der Bau die pädagogischen Ziele, die dort verfolgt wurden, verkörpert." · -fe


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